"Ecology is intrinsically a science of complexity."
— Richard Levins, Society for Human Ecology, 19. Oktober 2006 [1]
"Wir verstehen ökologische Systeme als komplexe, sich selbst organisierende Systeme. Auch die Humanökologie kann sich nur innerhalb dieses Rahmens bewegen. Kriterien, Indikatoren, Normen und Richtlinien müssen demnach auf das System als Ganzes anwendbar sein: Auf Menschen und Umwelt, wie auf Politik, Gesellschaft und Wissenschaft – letztlich auf jedes menschliche Handeln. Die Humanökologie kann sich nicht ihrer eigenen Kriterien entziehen."
— Arbeitsgemeinschaft Humanökologiepreis
Motivation
Der Humanökologiepreis wurde im Oktober 2006 für die Prämierung eines Vortrages im Rahmen der Ringvorlesung Humanökologie im Wintersemester 2006/2007 an der Universität Wien ausgeschrieben. Er versteht sich als Wissenschaftspreis für Humanökologie mit dem Anliegen, diese zu fördern und ihre Bedeutung in Wissenschaft und Gesellschaft zu unterstreichen.
Prozess
Gemäß der Ausschreibung [2] wurden die in den Vorträgen vermittelten Kriterien für Humanökologie, Nachhaltigkeit und Lehre auf den Webseiten des Humanökologiepreises zur Diskussion gestellt. Alle Vortragenden wurden persönlich um Ergänzungen gebeten, sodass nunmehr die Liste der Kriterien [3] (Stand 2007-01-28) zur Verfügung steht.
Entscheidung
Nach eingehender Betrachtung der von den Vortragenden genannten Kriterien kommt die Arbeitsgemeinschaft Humanökologiepreis zu dem Schluss, dass eine Anwendung der Kriterien für Humanökologie, Nachhaltigkeit und Lehre in der vorliegenden Fassung nicht möglich bzw. nicht verantwortbar ist.
Begründung
- Die Kriterien sind begrifflich nicht ausreichend klar formuliert. Worin unterscheiden sich zum Beispiel "Nachhaltige Entwicklung" (Rammel, Punz, Staudinger), "Nachhaltigkeit" (Haslberger) und "Globalisierte Nachhaltige Entwicklung" (Albert)? (Vgl. Die Definition für Nachhaltige Entwicklung [4], Forum Umweltbildung 2007-01-29)
- Für einen Großteil der Kriterien wurden keine bestimmenden Elemente genannt, die eine Anwendung ermöglichen würden. Welche Formen – beispielsweise – von "Innovation" (Rammel) oder "Resilienz" (Haslberger) kommen in Frage? Was ist "innovativ"? Und wie sehr muss ein Prozess "resilient" sein? (Vgl. S. Carpenter, B. Walker, et al.: From Metaphor to Measurement: Resilience of What to What? [5] Ecosystems 4 (2001) 8: 765-781.)
- Wesentliche, übergeordnete und integrative Kriterien, die für eine Anwendung unerlässlich sind, blieben ungenannt. Um nur einige zu nennen und ohne im Detail darauf einzugehen: Wissenschaftlichkeit, Anwendbarkeit, Methodik, Tragweite, Relevanz, Effizienz und Zustimmung (Einigung, demokratische Verfahren), Kooperation, Selbstorganisation und Dynamik, Kritikfähigkeit. (Vgl. European Common Indicators [6] und 2005 Environmental Sustainability Index [7])
Vorschlag
Die Arbeitsgemeinschaft Humanökologiepreis schlägt vor, Fragen der Anwendbarkeit humanökologischer Kriterien im Detail zu diskutieren und nach Möglichkeit im Rahmen von Fallstudien zu erproben. Eine Einigung auf einen Katalog wesentlicher Kriterien und Indikatoren mit Angabe bestimmender Elemente und übergeordneter Kriterien könnte sich zu einem festen Fundament der humanökologischen Forschung Österreichs entwickeln und Natur- und Umweltschutz-Organisationen in ihrer Arbeit unterstützen. Die praktische Umsetzung und Anwendung humanökologischer Kriterien in Lehre und Forschung sollte im Mittelpunkt stehen.
Nachwort
Der integrative Ansatz ist ein wichtiges Konzept der Humanökologie und damit der humanökologisch motivierten Forschung (vgl. Vortrag von Peter Weish [8], 2006-10-18). Die Erstellung eines entsprechenden Rahmenmodells abseits wissenschaftspolitischer Überlegungen sollte ein selbstverständliches Anliegen der Humanökologinnen und Humanökologen sein. Die Forschung ist im Sinne drängender Zeithorizonte bzw. der Notwendigkeit eines Umdenkprozesses dringend gefordert, direkt und zeitnah umsetzbare Ergebnisse zu liefern. Ein Ansatzpunkt kann die Verfassung eines humanökologischen Manifests sein, dessen Kern die Formulierung einer klaren Forschungsagenda bildet, deren Ziel es ist, einen Katalog mit humanökologischen Kriterien und deren bestimmenden Elementen aufzustellen bzw. entsprechende Research Challenges und Projekte zu definieren.